SDG 14 – Aquatische lebende Ressourcen als Teil der Ernährungssysteme

Von Julian Münster
Leben unter Wasser – das ist der Titel des Sustainable Development Goal 14 der Vereinten Nationen. Dieses Leben und dessen einzigartige Ökosysteme sollen durch eine nachhaltige Nutzung der Meere und ihrer Ressourcen geschützt werden. Die Intaktheit von Meeren, aber auch von Seen und Flüssen, bildet die Grundlage für den Lebensunterhalt und eine ausgewogene Ernährung von Millionen von Menschen, die auf Fische und andere aquatische Lebensmittel angewiesen sind.

© GIZ, Ranak Martin

Von Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

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Leben unter Wasser – Das Ziel für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal, SDG) 14 der Vereinten Nationen (VN) soll die nachhaltige Nutzung der Meere und ihrer Ressourcen sicherstellen und damit zum Erhalt dieser Ökosysteme beitragen. Die Klimakrise, Überfischung und Umweltverschmutzung setzen die Ozeane unter immensen Druck, dabei ist deren Intaktheit die Voraussetzung für funktionierende Ökosysteme und damit den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Um die Ozeane zu schützen, haben die Vereinten Nationen zehn Unterziele definiert, die den Erhalt und die Wiederherstellung der Meeresökosysteme zum Ziel haben. Dazu sollen unter anderem die Fischbestände nachhaltig bewirtschaftet, Überfischung und illegale Fischerei gestoppt und schädliche Subventionen abgebaut werden. Außerdem sollen mindestens 10 Prozent der Meeresfläche als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Durch das Verabschieden des Global Biodiversity Framework im Jahr 2022, wurden die Ambitionen in diesem Bereich mit dem „30-bis-30“-Ziel, deutlich angehoben.

 

Es wird kritisiert, dass sich SDG 14 nur auf marine Ökosysteme bezieht. Die Nutzung von inländischen aquatischen Systemen z.B. durch Teichwirtschaft oder Binnenfischerei ist für die Ernährungssicherung in vielen Regionen immens wichtig und diversifiziert das lokale Nahrungsangebot. Global gesehen sind Süßwasserökosysteme mit am gefährdetsten, was den Verlust an Arten und Lebensraum betrifft. Die deutsche Entwicklungspolitik zur nachhaltigen Nutzung aquatischer lebender Ressourcen für die Ernährungssicherung nutzt daher einen übergreifenden Ansatz.

 

Aquatische Lebensmittel als Baustein einer ausgewogenen Ernährung

Fischerei und Aquakultur, sowohl in den Meeren als auch in Binnengewässern, sind die direkte Lebensgrundlage für 58,8 Millionen Menschen und mehr als 600 Millionen Menschen sind indirekt von ihnen abhängig. Damit trug der Sektor im Jahr 2022 zum Lebensunterhalt von 7,5 Prozent der Weltbevölkerung bei, vor allem in Entwicklungsländern. Die Kleinfischerei beschäftigt rund 90 Prozent der weltweit im Fischereisektor Tätigen, davon 50 Prozent Frauen. Die Kleinfischerei erwirtschaftet 44 Prozent des Wertes aller weltweiten Anlandungen. Aquatische Lebensmittel, also Fische, Weich- und Schalentiere und auch Algen, sind nicht nur von großer wirtschaftlicher Bedeutung, sondern auch ein essenzieller Bestandteil der Ernährung. Denn für mehr als 3,3 Milliarden Menschen sind aquatische Lebensmittel eine wichtige Quelle für tierisches Eiweiß (min. 20 Prozent). Vor allem in Küstenregionen und an Binnengewässern des globalen Südens haben aquatische Lebensmittel traditionell einen hohen Stellenwert als leicht zugängliche erschwingliche tierische Proteinquelle (>50% in Bangladesch, Kambodscha oder Ghana).

 

Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse sind aber nicht nur als tierische Eiweißquelle, sondern vor allem wegen ihres hohen Gehalts an Vitaminen, Mikronährstoffen und langkettigen, mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren ein wichtiger Bestandteil einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, insbesondere für schwangere und stillende Frauen und Kinder. Eine einzige Portion Fisch, insbesondere wenn er im Ganzen verzehrt wird, Muscheln oder Schalentiere liefern oft mehr Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B12 und Kalzium als die empfohlene Tagesmenge und etwa die Hälfte der empfohlenen Tagesdosis an Eisen und Zink für ein Kind unter 5 Jahren.

 

Im Vergleich zu anderen tierischen Proteinquellen verursachen aquatische Ernährungsressourcen aus der Fangfischerei und Aquakultur relativ geringe Treibhausgasemissionen. Die durchschnittliche Fangfischerei hat einen CO2-Fußabdruck, welcher vergleichbar ist mit dem von industriell produziertem Geflügel, welches eines der emissionsärmsten terrestrischen Proteinquellen darstellt. Viele gefütterte Aquakulturgruppen liegen deutlich darunter. Auf dem Weg zu einer Dekarbonisierung unseres globalen Ernährungssystems können aquatische Lebensmittel deshalb einen entscheidenden Beitrag leisten.

 

Status Quo – die große Herausforderung für die Fischerei und Meeresschutz

Ging man lange Zeit davon aus, dass die Meere unerschöpfliche Fischreserven bergen, führte die fortschreitende Technisierung der Fischerei zu einer Überfischung vieler kommerziell genutzter Arten und schließlich in den 1990er Jahren zu einer Stagnation der weltweiten Fangerträge. Heute gelten mehr als 35 Prozent der Fischbestände als überfischt, während 57 Prozent nachhaltig aber maximal genutzt werden. Das bedeutet, dass eine stärkere Befischung zu einer Überfischung und einem Rückgang der Bestände führen würde. Nur 7 Prozent der Bestände könnten intensiver befischt werden und höhere Erträge bringen. In den vergangenen Jahren hat sowohl die Nachfrage nach Fisch sowie der Anteil überfischter Bestände stetig zugenommen.

 

Die Überfischung, die für den schlechten Zustand der weltweiten Fischbestände verantwortlich ist, wird durch schädliche Subventionen, mangelnde Transparenz im Fischereisektor, unzureichendes Management und illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU) gefördert. Nach Schätzungen der FAO ist die IUU-Fischerei für den Verlust von jährlich 11-26 Mio. Tonnen Fisch verantwortlich, deren wirtschaftlicher Wert auf 10-23 Mrd. USD geschätzt wird.

 

Subventionen im Fischereisektor sind ein wesentlicher Treiber der globalen Überfischung.  So erhöhen Subventionen für den Bau von Schiffen die Fangkapazitäten zusätzlich und verschärfen die Gefahr der Überfischung. Weltweit werden jährlich rund 35 Milliarden US-Dollar an Fischereisubventionen vergeben, davon fördern 22 Milliarden US-Dollar direkt Überkapazitäten und Überfischung - das entspricht einem Drittel des Wertes der weltweiten Fischereiproduktion. Die Agenda 2030 der VN hatte zum Ziel, schädliche Fischereisubventionen bis 2020 abzuschaffen. Mit einer Verzögerung von 2 Jahren wurde 2022 jedoch das Übereinkommen zur Abschaffung schädlicher Fischereisubventionen durch die WTO verabschiedet. Eine Nachverhandlung von Teilen des Abkommens und eine Ratifizierung durch 2/3 der WTO-Mitgliedstaaten müssen vor einer vollumfänglichen Anwendbarkeit noch erfolgen.

 

Der Druck auf die aquatischen Ökosysteme und die Fischbestände im globalen Süden wird durch Auswirkungen des Klimawandels verstärkt, die zu einer Verringerung der Produktivität der Fisch und somit des maximalen Fischereipotenzials um 3 bis 12 Prozent führen dürften. Die größten negativen Auswirkungen werden für die tropischen Regionen prognostiziert, für die Regionen in den hohen Breitengraden wird hingegen eine erhöhte Fischproduktivität erwartet.

 

Um negativen menschlichen Einflüssen auf die Natur entgegenzuwirken, hat die Weltgemeinschaft sich im letzten Weltnaturgipfel im Dezember 2022 geschlossen zur Verstärkung von globalen Schutzmaßnahmen an Land und im Meer entschieden. Das Kunming-Montreal Globale Biodiversitätsrahmenwerk (GBF) hat das Ambitionsniveau von SDG 14 gehoben, mit der Forderung 30 Prozent der Erdoberfläche bis 2030 unter Schutzmaßnahmen zu stellen. Da bisher erst ca. 8 Prozent der Meeresfläche unter Schutz stehen, wirkt sich das der GBF massiv auf den Meeresschutz und somit auf Küstenbevölkerungen aus, die von Meeresressourcen leben. Während Schutzgebiete einerseits eine wichtige Rolle beim Erhalt von Fischbeständen und deren nachhaltiger Nutzung spielen, stellen die damit verbundenen Einschränkungen für viele Kleinfischer*innen auch eine Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen dar. Es wurde deshalb als zentrales Element des GBF verankert, dass die Rechte von Indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften in der Umsetzung der Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden müssen. In den nächsten Jahren geht es also verstärkt darum, partizipative Prozesse zum Erreichen von flächenbasierten internationalen Schutzzielen aktiv zu unterstützen. Kleinfischer*innen spielen dabei eine zentrale Rolle.

 

Turning the tide - Wie können die Ziele von SDG 14 erreicht werden?

Entscheidend für das Erreichen von SDG 14 sind Transparenz sowie ein partizipativer und ökosystembasierter Ansatz sowohl im Fischereimanagement als auch bei der Ausweisung von Schutzgebieten. Dabei gilt es, betroffene Interessensgruppen wie Kleinfischer*innen und Bewohner*innen von Küstengemeinden in die Prozesse mit einzubeziehen und die Rechte gerade von marginalisierten Gruppen zu wahren. Insgesamt muss eine verstärkte Priorisierung und bessere Integration von Fischerei- und Aquakulturproduktion in globale, regionale und nationale Strategien und Politiken des Lebensmittelsystems ein wesentlicher Bestandteil der notwendigen Umgestaltung unserer Agrar- und Ernährungssysteme sein.

 

Um dies Ziele zu erreichen, fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die nachhaltige Nutzung aquatischer Ökosysteme in den Partnerländern und leistet durch multilaterales Engagement und bilaterale Zusammenarbeit einen Beitrag zur Ernährungssicherung und wirtschaftlichen Entwicklung vor Ort. Das Engagement vor Ort erfolgt u.a. über das Globalvorhaben „Nachhaltige Fischerei und Aquakultur“ der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. Ziel des Vorhabens ist eine Förderung Ernährungssicherung in den Partnerländern durch nachhaltige und ressourcenschonende Fischerei und Aquakultur. Hierzu zählt beispielsweise die Zusammenarbeit mit Mauretanien, bei der ein Registrierungs- und Lizensierungssystem für Fischer*innen und ihre Boote eingeführt wurde und so u.a. IUU-Fischerei eindämmen soll. Außerdem fördert das Vorhaben Aquakulturen mit integrative Polykultur-Formen, wie die Reis-Fisch-Wirtschaft. Hier werden die positiven Verknüpfungen zwischen verschiedenen Spezies genutzt, um den Ertrag zu steigern und die Kosten zu minimieren. Diese symbiotischen Beziehungen steigern zusätzlich die Biodiversität in und um die Teiche.

 

Auch auf internationaler Ebene engagiert sich das BMZ für die Umsetzung internationaler Abkommen, wie z.B. das Übereinkommen über Fischereisubventionen der WTO. Das BMZ beteiligt sich hierbei u.a. an dem Fond zur Umsetzungsunterstützung für Entwicklungsländer. Das 2016 in Kraft getretene FAO-Hafenstaatenabkommen (Agreement on Port State Measures, PSMA) ist das erste verbindliche internationale Abkommen, das sich speziell gegen IUU-Fischerei richtet. Schiffe, die an IUU-Aktivitäten beteiligt sind, sollen daran gehindert werden Häfen anzulaufen und Fänge anzulanden. So soll verhindert werden, dass illegal gefangener Fisch auf die nationalen und internationalen Märkte gelangt. Eine Kooperation des BMZ mit der FAO zur Unterstützung der Umsetzung dieses Abkommens in Kenia, Madagaskar, Gambia und Senegal lief 2022 an.

 

Zudem unterstützte das BMZ die FAO bei der Entwicklung von Leitlinien für Transshipment (das Umladen von Fängen auf hoher See), um zu unterbinden, dass illegal gefangener Fisch in die Lieferkette gelangt und eine nachhaltige und sozial verantwortliche Fischerei untergräbt. Wichtige Grundlage dafür ist Transparenz, daher wurde bereits in der Vergangenheit die Fisheries Transparency Initiative (FiTI) gefördert, die Länder bei der Einführung eines nachhaltigen und transparenten Fischereimanagements unterstützt.

 

Mit Hinblick auf den Klimawandel sind Fischereireformen notwendig, welche effektive, partizipative und adaptive Fischereimanagementsysteme beinhalten, sowie einen Vorsorgeansatz hinsichtlich des Umgangs mit Unsicherheit und Risiken beinhalten.

 

Auf internationaler Ebene wurde das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Meeresschutzes durch die VN-Ozeankonferenz im Jahr 2017 geschärft. Bei der darauffolgenden Ozeankonferenz 2022 wurden mit der Abschlusserklärung von Lissabon die politischen Bestrebungen zur Ausweitung und des besseren Managements mariner Schutzgebiete verstärkt. Der Abschluss des VN-Abkommens zum Schutz von Biodiversität auf Hoher See (BBNJ) und die Verhandlungen zu einem neuen VN-Plastikabkommen zu Meeresmüll prägen zudem den politischen Diskurs. Diese Diskurse finden auch Eingang in die nationale Politik. So hat die Bundesregierung sich dem internationalen „30-bis-30 Ziel“ verschrieben, welches den Schutz von u.a. 30 Prozent der marinen Fläche bis 2030 anvisiert. Das BMZ engagiert sich vielfältig in den Bereichen mariner Schutzgebiete, bündelt internationale Maßnahmen des Mangrovenschutzes und stärkt das Thema auf politischer Ebene. Mit der Initiative MeerWissen fördert das BMZ afrikanisch-deutsche Wissenschaftskooperationen für politische Entscheidungen zum Schutz der Meere und mit der Western Indian Ocean Governance Initiative (WIOGI) wird die Stärkung regionaler Meeresgovernance gefördert.

 

Für die Verwirklichung des SDG 14 bedarf es sowohl bei der Umsetzung als auch Überwachung noch großer Anstrengungen. Und obwohl das Ziel „Leben unter Wasser“ ein wichtiger Eckpfeiler für die Sicherung einer nachhaltigen globalen Entwicklung ist, nimmt es häufig nur eine Nebenrolle in politischen Entscheidungen ein. Die nötigen Werkzeuge für die erfolgreiche Umsetzung existieren bereits. Sie müssen nur konsequent und flächendeckend angewandt werden. Darüber hinaus nimmt ein sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltiger, gerechter und inklusiver Fischerei- und Aquakultursektor eine entscheidende Rolle bei der Erreichung nicht nur von SDG 14, sondern mehrerer SDGs ein: bei der Bekämpfung von Hunger und Mangelernährung, der Verringerung der Armut und der Bereitstellung von Lebensgrundlagen, Verringerung von sozialen und Geschlechter-ungleichheiten, sowie der Verringerung der Auswirkungen des Ernährungssystems auf den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt.

 

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